Am Vormittag des 26. September 2019 erreichten wir nach einem fünftägigen Aufstieg den Gipfel des 8.163 m hohen Manaslu. Wie es uns dabei erging, möchte ich im Folgenden schildern:
Wie geplant starteten wir am 22. September nach dem Mittagessen Richtung Lager 1. Das gute Wetter sollte sich erst in ein paar Tagen einstellen, weshalb wir uns über die 15 cm Neuschnee und die vielen Wolken nicht wunderten. Der Weg zu unseren Zelten auf 5.600 m kannten wir inzwischen schon bestens, nach drei Stunden waren wir am Ziel der ersten Etappe.
Wie gewohnt schneite es in der Nacht, doch am nächsten Morgen zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft am Manaslu vor zwei Wochen sahen wir die beeindruckenden Berge des Mansiri Himal.
Aufstieg ins Lager 4
Wider Erwarten ist auch in einer Höhe von 6.000 m gerade die Hitze das, was beim Aufstieg am meisten Energie kostet. So war es auch bei unserer Etappe zum Lager 2. Wir waren fast durchwegs im Nebel unterwegs und die durchscheinende Sonne strahlte in einer mörderischen Intensität.
Der nächste Tag sollte erholsamer werden, die knapp 400 Höhenmeter zum Lager 3 brachten wir in drei Stunden hinter uns, genügend Zeit für ein bisschen Entspannung, gutes Hochlager-Essen und viel Flüssigkeit.
Ab jetzt wurde es ernst, denn Lager 3 war für uns der bislang höchste Punkt am Manaslu. Die beiden folgenden Tage versprachen anstrengend zu werden, doch wir waren für den weiteren Aufstieg bestens motiviert.
Früh am Morgen brachen wir von unserem Lager auf 6.720 m auf. Nach Erreichen eines Sattels wurde der Weg immer steiler, führte über eine kurze senkrechte Stelle zu einer Querung, die an einem weiteren Sattel endete, in dem unser Lager 4 (7.445 m) stand.
Nachdem wir unsere Zelte ein bisschen verbessert hatten (man will ja auch auf dieser Höhe gut gebettet sein), ging es ans Wasserschmelzen und Kochen. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, auf fast 7.500 m einen Lachs mit Nudeln zu Abend zu essen. Zur Absurdität des Höhenbergsteigen passt doch ein für hier absurdes Essen. Ich kann leider nicht sagen, dass es besonders gemundet hat. Ob es nun an meinem Appetit, dem Lachs oder dem Koch der Fertigmahlzeit lag, weiß ich nicht.
Danach war Zeit fürs Bett – oder besser gesagt – den Schlafsack. Viel Schlaf war uns nicht gegönnt, denn der Wecker war auf 23:00 Uhr gestellt.
Zum Gipfel des Manaslu
Nach einem guten Frühstück bestehend aus Schüttelbrot, Frischkäse und Kaffee war es Zeit, sich in Daune einzupacken, in die Expeditionsschuhe zu schlüpfen, die Steigeisen anzuschnallen und den Rucksack zu schultern. Um 1:15 Uhr ging es los.
Wir waren bei weitem nicht die einzigen, die heute den Gipfel als Ziel hatten. Im Gegensatz zum größten Teil der anderen Bergsteiger waren wir jedoch ohne Unterstützung von Flaschensauerstoff unterwegs.
Der Weg führte uns erst über den angenehm geneigten Gletscher zu zwei Steilaufschwüngen. Mit milden -18 °C und kaum Wind hatten wir perfekte Bedingungen für den Aufstieg. Ohne zusätzlichen Sauerstoff spürten wir jeden Meter, den wir höher stiegen, was uns zunehmend einbremste. Das löste ein Problem, das mich schon seit Tagen beschäftigte. Mingma Sherpa, mit dem ich 2011 am Mount Everest unterwegs war, erzählte mir, dass er im Vorjahr mit seinen Kunden zweieinhalb Stunden knapp unterhalb des Gipfels warten musste, bis sie die letzten Meter angehen konnten.
Wir legten einige Pausen ein und irgendwann, noch ein gutes Stück vom Gipfel entfernt, kamen uns die Ersten entgegen, mit dem Gipfelerfolg im Gepäck und einer Sauerstoffmaske vor dem Gesicht. Nach 8,5 Stunden Aufstieg waren wir beim Rucksackdepot nur wenige Meter unterhalb des Gipfels. Wir machten eine Pause und warteten auf die Langsameren in unserer Gruppe.
Um 10:50 Uhr standen wir, 4 Teilnehmer, die Hochträger Jangbu und Karma Sherpa und ich, am Gipfel auf 8.163 m. Glücklich machten wir Gipfelfotos und gratulierten uns gegenseitig zum Erfolg. Der Ausblick war eher bescheiden, leider versperrte uns Nebel die Sicht auf die Welt unter uns.
Nach einer kurzen Pause beim Rucksackdepot ging es wieder hinunter. Die zwei Stunden bis zum Lager 4 zogen sich. Die Sonne brannte unerbittlich auf den Gletscher und wurde vom Nebel reflektiert, was uns recht bald die Daunenjacken ausziehen ließ.
Wieder im Lager 4 angekommen galt es, Tee zu kochen, ein wenig zu essen und fehlenden Schlaf nachzuholen. Wir mussten wieder fit für den weiteren Abstieg am folgenden Tag werden.
Abstieg ins Basislager
Die Nacht auf 7.445 m war unerwartet erholsam und nach dem Frühstück ging es mit schweren Rucksäcken bergab. Bei jedem Lager, an dem wir vorbeikamen, wurden die Rucksäcke schwerer, da weitere Ausrüstung und Müll eingeladen werden musste. Der zusätzliche Sauerstoff in den Lungen konnte die zunehmende Last auf unseren Rücken leider nur fast ausgleichen. Nach neun Stunden erreichten wir erschöpft und überglücklich das Basislager.
Ein Teilnehmer unserer Gruppe fühlte sich am Gipfeltag nicht fit genug für den weiteren Aufstieg und blieb im Lager 4. Dort konnte er sich so gut erholen, dass ihm und dem Hochträger Mingma Tenji Sherpa am darauffolgenden Tag der Aufstieg zum Gipfel gelang. Wie wir stieg er nach einer weiteren Nacht im Lager 4 ins Basislager ab.
Ein weiterer Teilnehmer brach die Expedition bereits während der Akklimatisationsphase ab und reiste früher nach Hause.
Zurück in die Heimat
Nach einem entspannten Ruhetag im Basislager brachen wir unsere Zelte ab und stiegen nach Samagaon ab. Für den Teilnehmer, der den Gipfel einen Tag nach uns erreicht hat, gab es keinen Ruhetag. Er ging in einem Zug durch, vom Gipfel bis zum Ende des Trekkings in Soti. Starke Leistung!
Zwei Teilnehmer zogen eine Rückreise per Helikopter dem Trekking vor und verließen uns in Samagaon.Eigentlich hätten wir uns noch viel Zeit für den Rückweg lassen können. Da am Manaslu alles so reibungslos funktioniert hatte und sämtliche Wettergötter auf unserer Seite waren, konnten wir den Berg eine Woche vor dem geplanten Termin verlassen. Doch weil es uns wieder in Heimat zog, brachten wir die 104 Trekkingkilometer von Samagaon nach Soti in vier Tagen hinter uns. Es folgten acht Stunden Autofahrt nach Kathmandu, ein Debriefing beim Tourismusministerium und der vorverlegte Flug in die Heimat.
Eine grandiose Zeit, ein unvergessliches Erlebnis und knapp 6 Wochen mit unzähligen großartigen Eindrücken gingen zu Ende. Schön war’s!
Über Stefan Fritsche und die Expedition zum Manaslu:
Stefan Fritsche ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. Bei der Expedition zum Manaslu im September 2019 war Stefan als Expeditionsleiter für Amical Alpin tätig. Weitere Berichte zur Expedition und zu Stefans Projekten gibt es hier: http://www.stefanfritsche.at/