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49° Süd: Wo Träume noch Existieren 49° Süd: Wo Träume noch Existieren
2019-02-14 09:57:00

Words by | Alberto Mediavilla

Patagonien ist ein Ort der Extreme. Das liegt einerseits am extremen und launischen Wetter. Doch auch an seinen überproportionalen Dimensionen – sowohl in Höhenmetern als auch in Fläche. Und dann wären da noch die Erfahrungen, die dort auf einen warten.


Bei einem solchen Klima der Extreme ist es schwer zu sagen, ob die Rückkehr von einer Expedition, ohne das angestrebte Ziel erreicht zu haben, wirklich als Misserfolg zählt oder nicht.

Wir begaben uns zum ersten Mal auf diese Expedition vor zehn Jahren. Doch sobald wir den Marconi-Pass erblickten und die Unermesslichkeit des südpatagonischen Eisfeldes sich vor uns erstreckte, mussten wir zugeben, dass wir dieser Mission nicht gewachsen waren. Aber es war auch in diesem Moment, dass ich mich dazu entschloss, dieses tiefe, eisige Meer zu überqueren und den Pazifischen Ozean vom höchsten Gipfel der Gegend aus zu bewundern: dem Lautaro-Vulkan.

Einige Jahre später rechnete ich mir bessere Chancen aus. Ich hatte nun eine genauere Vorstellung von meinem Ziel und einen ortsansässigen Partner, der diese Gegend sehr gut kannte. Aber wie es in Patagonien so oft der Fall ist, vereitelte uns das Wetter unsere Pläne auf dem Weg zum Gipfel. Diesmal schaffte ich es zumindest, die klassische Traverse vom Marconi-Pass zum Paso del Viento zu vollenden, und konnte hier wertvolle Erfahrungen für zukünftige Versuche sammeln.

Und nun stehe ich wieder hier, in El Chaltén, Mitte Oktober. Diesmal werde ich von meinem Freund José Allende begleitet. Dies ist seine erste Bergtour außerhalb seiner Heimat Picos de Europa. Als Fotograf hat er sich mir angeschlossen, auf der Jagd nach dem Foto seiner Träume: eine Nachtaufnahme der Westwand des Cerro Torre. Ebenfalls mit von der Partie ist Pedro Cifuentes, ein bekannter Solokletterer, den man leicht zu einer Reise in sein geliebtes Patagonien überreden kann.

Der Vulkan Lautaro (3.623 m) ist ein nur selten besuchter Berg. Obwohl er der höchste Punkt des südpatagonischen Eisfeldes ist, gibt es nur wenig Informationen über diesen Vulkan. Seine Abgeschiedenheit und die Lage nordwestlich des Marconi-Passes (der übliche Einstiegspunkt zur südpatagonischen Eiskappe von Argentinien aus) bedeutet, dass es oft notwendig ist, gegen die vorherrschenden Winde zu kämpfen, um ihn zu erreichen. Mehr noch als an anderen Orten Patagoniens, ist die Wetterlage hier entscheidend. Und für eine erfolgreiche Gipfelbesteigung braucht man mindestens drei Tage gutes Wetter.

Bei der Ankunft in El Chaltén erfahren wir, dass es in diesem Jahr bisher kaum ein dreitägiges Wetterfenster gab. Tatsächlich ist es eines der schlechtesten Jahre seit Langem. Das Wetter in den ersten zwei Wochen in El Chaltén folgt dem bisherigen Jahresverlauf: Regen und Wind, mit nur ein paar Stunden gutem Wetter, in denen wir uns höchstens kurz die Beine vertreten können.

Doch das ändert sich plötzlich, als alle Wetterstationen überraschend eine ganze Woche beständiges Wetter voraussagen: sonnig und ruhig. Wir können unser Glück kaum fassen und setzen uns sicherheitshalber mit unserem Freund vom spanischen Wetterdienst in Verbindung, der die Berichte bestätigt. Am nächsten Tag brechen wir mit Ausrüstung, genügend Proviant und Gas für 12 Tage in der Wildnis auf. Sollte die Wettervorhersage falsch sein und das gute Wetter nicht so lange anhalten wie erwartet, können wir uns trotzdem über Wasser halten. In Patagonien hält gutes Wetter selten an, also ist es wahrscheinlich ein kluger Plan!

 

An den ersten beiden Tagen, an denen wir mehr als 1 000 Meter Höhe gewinnen müssen, um das Eisfeld zu erreichen, kommen wir aufgrund des Gewichts unserer Rucksäcke nur langsam voran. Jeder unserer Rucksäcke wiegt mehr als 30 kg. Und das, obwohl wir nicht im „Alpinstil“ unterwegs sind.

Schließlich erlaubt uns die Neigung des Gletschers, die Lasten auf die Schlitten umzulegen und unsere Schuhe gegen Skier zu tauschen. Bei so fantastischem Wetter auf dem Gletscher fühlen wir uns wie Kinder im Disneyland, als Fitz Roy und Piergiorgio uns mit einem beeindruckend rötlichen Sonnenuntergang begrüßen. Von hier aus trennen uns noch etwa 40 Kilometer vom Fuß des Lautaro. Es ist ein langer und etwas monotoner Tag, an dem uns das ungeheure Ausmaß der anstehenden Herausforderung bewusst wird.

Auf unserem Weg dorthin, treffen wir Emma und Jesse, zwei Kanadier mit dem selben Ziel wie wir: den Lautaro zu besteigen. Allerdings möchten sie den Abstieg auf Skiern machen. Wir sind auf dem Hinweg auf Langlaufskiern unterwegs, und obwohl wir das gleiche Ziel verfolgen, haben wir zwei ganz unterschiedliche Ansätze. Emma und Jesse beschließen, den Gipfel am nächsten Morgen zu erklimmen, während wir noch ein paar Stunden warten, um Flüssigkeit aufzunehmen und wieder Kraft zu schöpfen. So bereiten wir uns auf einen langen Tag vor, da wir wissen, dass unser Abstieg um einiges mühsamer wird als der ihre.

Fotonachweis – José Allende

Nach 11 Stunden Klettern und 4 Stunden Abstieg erreichen die Kanadier am Nachmittag wieder das Basecamp. Sie erzählen uns von einem ausgeprägten Bergschrund auf halber Strecke, den sie mittels einer unsicheren Schneebrücke beim Anstieg auf der linken Seite des Hanges und Abstieg auf der rechten Seite überquerten. Auf ihren Skiern passierten sie ihn beim Abstieg sehr schnell, doch sie betonen, dass der Bergschrund in beide Richtungen ein erhebliches Risiko darstellt. Mit ihrer Warnung im Kopf machen wir uns kurz nach dem Abendessen, gegen 23:00 Uhr, auf den Weg. Zu Beginn sorgt der Vollmond für gute Sicht, und nach und nach klettern wir weiter, an den anfänglichen Gletscherspalten vorbei. Den Anweisungen der Kanadier folgend klettern wir auf die rechte Seite des Hanges, um den berüchtigten Bergschrund zu finden. Dann, gerade als der Vollmond hinter dem Gipfel verschwindet und es vollständig dunkel wird, wird der Wind stärker und bläst Schneeschauer von den oberen Hängen auf uns herab. Unsere Disneyland-Fantasie ist mehr als nur vorbei.

In genau diesem Moment sehe ich die dunkle Gletscherspalte, die sich etwa 20 Meter breit über den Hang vor uns ausdehnt. Das ist also der Bergschrund, von dem uns unsere Freunde berichtet hatten. Er erscheint mir noch gefährlicher, als wir erwartet hatten. Wir planen, ihn an der gleichen Stelle zu überqueren, an der sie abgestiegen waren. Dies bedeutet jedoch, dass wir lange unter einem bedrohlichen Sérac sein würden, an dessen Fuß noch die Überreste der jüngsten Lawinen zu sehen waren. Wir halten an, um die Lage in Ruhe beurteilen zu können. Auf Skiern konnten die Kanadier dieses Gebiet schnell passieren, aber ohne sie erscheint es uns zu riskant. Schweren Herzens treffen wir die Entscheidung, umzukehren.

Eine solche Entscheidung zu treffen, wenn ein Traum bereits in Reichweite ist, ist unendlich schwierig. Doch mit den ersten Sonnenstrahlen, bestätigt das Getöse der einstürzenden Séracs, dass wir uns richtig entschieden hatten.

Zurück im Lager, empfangen Emma und Jesse uns mit Kaffee und Keksen, und wir teilen uns den letzten „Alfajor“ von „La Chocolatería“, den wir für den Gipfel aufgehoben hatten. Mit großer Vorsicht und Präzision gelingt es uns, den Keks in fünf Stücke zu teilen.

Wir sind müde und ein etwas enttäuscht, aber die Expedition ist noch nicht zu Ende. Vor uns liegen noch mehr als 80 km auf dem Eisfeld, bevor wir den Paso del Viento erreichen. Zwei weitere Tage lang, inmitten einer der spektakulärsten Berglandschaften der Welt, genießen wir die einfachen Freuden des Skifahrens, ziehen unsere Schlitten und bewundern die Aussicht auf die Westwand des Cerro Torre. Aber alles hat nun einmal ein Ende, und als wir den Gletscher verlassen und die Last von den Schlitten wieder auf unsere Rücken umladen, überfällt uns die Erschöpfung.

Wir verbringen zwei weitere Tage mit der Überquerung des mythischen Paso del Viento – ohne einen Hauch von Wind – und kommen am späten Abend zurück nach El Chaltén. Während die anderen zum Abendessen gehen und das Craftbier-Festival genießen, fallen wir vollkommen kaputt vor Erschöpfung nach 145 langen Kilometern sofort ins Bett!

Ich habe also immer noch nicht den Pazifik vom Gipfel des Lautaro aus gesehen, aber ich habe bei diesem Versuch einige der besten Momente meines Lebens als Bergsteiger genossen. Auch José erreichte sein Ziel nicht: Wegen des Vollmondes konnte er sein Traumfoto nicht schießen. Trotzdem kehrte mit vielen anderen spektakulären, preisgekrönten Bildern für sein Portfolio nach Hause zurück. Und Pedro? Er beginnt eine neue Mission voller Eifer und Energie: er will die erste Solo-Traverse der Skyline von Fitz Roy machen. Jetzt ist er mehr denn je davon überzeugt, dass er lieber seinen Transportsack an einer Wand hochzieht, als ihn auf dem Rücken zu tragen...

Erfolg oder Fehlschlag? Ich bin mir immer noch nicht sicher. Aber war es den Versuch wert? Auf jeden Fall.